Entwicklung beruflicher Perspektiven für Integrationslots*innen

IntegrationKatina Schubert

Stadtteilmütter und die Integrationslotsen leisten viel. Wir wollen, dass für sie ein eigenständiges Berufsbild entwickelt wird.

38. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 7. März 2019

Katina Schubert (LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass hier ein bisschen Aufregung herrscht, kann ich nachvollziehen. Die Ausführungen von Herrn Förster, Frau Chebli oder sonst jemandem nicht ausreichend Engagement gegen Antisemitismus zu unterstellen, ist unsäglich, und das weise ich für diesen Senat und diese Koalition auch zurück.

Integrationslotsinnen und -lotsen und die Stadtteilmütter vollbringen einen wichtigen Dienst für unsere Stadt und für diese Gesellschaft und das oft für wenig Geld. Dafür gebührt ihnen unser Dank – ich hoffe auch der Dank des ganzen Hauses.

Die Integrationslotsinnen und Integrationslotsen und die Stadtteilmütter öffnen Wege in diese Gesellschaft, in die Schule, in die Kita, in die Behörden, in die Erwerbsarbeit, in das Gesundheitssystem. Sie sind sozusagen die Mittlerinnen und Mittler zwischen Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung.

Es ist keine besonders neue Erkenntnis, dass Integration kein einseitiger Prozess ist, in dem sich die einen den anderen anpassen, sondern Integration ist ein Prozess, der die gesamte Gesellschaft umfasst. Integration verlangt auch, dass sich die Mehrheitsgesellschaft verändert, damit so etwas wie gemeinsame Weiterentwicklung der Gesellschaft möglich ist. Diese Gesellschaft tut es ja auch. Seit der ersten Anwerbung von Arbeitskräften in den Fünfzigerjahren hat sich in diesem Land verdammt viel verändert und auch verdammt viel zum Guten. Gucken Sie auf Ihren Speiseplan, dann wissen Sie das.

Und weil das so ist, ist es umso wichtiger, dass wir die Wege für Menschen, die neu zu uns kommen, offenhalten, möglichst schnell Teil unserer Gesellschaft werden zu können, und zwar gleichberechtigte Teile mit vollen Partizipations- und Teilhabemöglichkeiten. Dazu sind die Integrationslotsinnen und Integrationslotsen und die Stadtteilmütter ganz wichtige Wegbereiterinnen und Wegbereiter und längst schon mehr als Helferinnen und Helfer. Deswegen müssen wir auch herauskommen aus der Situation, dass sie entweder nur über Arbeitsmarktmaßnahmen finanziert sind oder über ein Programm über gering entlohnte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, wie wir es jetzt haben. Das ist immer noch auf einer sehr niedrigen Eingruppierungsebene. Tatsächlich leisten die Beschäftigten, die Stadtteilmütter und die Integrationslotsinnen und -lotsen deutlich mehr. Deswegen ist es so wichtig, dass wir für sie ein Berufsbild kreieren, das dann auch tatsächlich beschreibt, wie eine solche Ausbildung aussehen muss, und auch beschreibt, wie eine vernünftige Bezahlung aussehen kann. Das heißt aber auch, dass wir eine Professionalisierung dieser Arbeit brauchen.

[Lachen bei der AfD]

– Da können Sie lachen, wie Sie wollen. Sie haben sowieso keinen Verstand und keinen Begriff davon, was Integration ist.

Ausgrenzung ist das Einzige, was Sie verstehen. Vielleicht tut es Ihnen auch ganz gut, hier einfach ausgegrenzt zu sein. Es ist jedenfalls besser für alle Menschen mit Einwanderungsgeschichte, wenn Sie möglichst weit wegbleiben.

Mit dem Landesrahmenprogramm für die Integrationslotsinnen und Integrationslosen haben wir in Berlin schon einen wichtigen Schritt getan, nämlich möglichst viele von ihnen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen zu überführen, sie vernünftig zu qualifizieren – aber das ist eine Qualifikation unterhalb eines vollen Ausbildungsberufes.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Und wenn man sich anguckt, was sie alles wissen müssen, um ihre Arbeit gut machen zu können: Sie müssen wissen: Was sind die Grundzüge der Sozialgesetzgebung?

[Gunnar Lindemann (AfD): Mauermörder!]

Was sind die Grundzüge der Gesundheitsversorgung? Was sind die Grundzüge der Bildung? Was sind die Grundzüge des Verwaltungsaufbaus? –, um überhaupt Behördenbegleitung machen zu können, – – 

[Zuruf von Christian Buchholz (AfD)]

– Sie haben keine Ahnung: Halten Sie die Klappe!

[Zuruf von der AfD: Halt’ doch selber die Klappe!]

Sie müssen wissen, welche Wege sie gehen müssen, um in der Schule zum Erfolg zu kommen, welche Wege sie gehen müssen, um in der Kita zum Erfolg zu kommen. Dort sind die Lotsinnen und Lotsen wichtig. Deswegen brauchen wir ein vernünftiges Berufsbild,

[Gunnar Lindemann (AfD): Mauermörder!]

und deswegen ist dieser Antrag so wichtig.

 

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Kleinen Moment bitte, Frau Abgeordnete Schubert!

Katina Schubert (LINKE):

Die können ruhig kreischen – ich bin lauter!

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Frau Schubert! Ich habe jetzt das Wort, nicht mehr Sie. – Herr Lindemann! Lassen Sie bitte diese Begrifflichkeit in diesem Hause fallen! Ich möchte das hier nicht noch einmal hören! – Frau Schubert! Jetzt haben Sie wieder das Wort!

Katina Schubert (LINKE):

Mir ist das wurscht, was die kreischen! – Was, glaube ich, noch ganz wichtig ist, was wir noch aufnehmen müssen, ist, dass wir auch Lotsinnen und Lotsen für das Gesundheitswesen brauchen. Wir haben die Gemeindedolmetscherinnen und Gemeindedolmetscher; das ist wichtig. Aber viele der jetzigen Lotsen dürfen nicht mit zu Arztbesuchen. Das ist aber extrem wichtig, weil es eine interkulturelle Begleitung gerade auch bei der medizinischen Versorgung braucht.

Deswegen ist diese Überlegung, ein Berufsbild zu schaffen, ein Ansatz, die Einsatzbreite der Lotsinnen und Lotsen, der Stadtteilmütter noch zu erweitern und die Möglichkeiten der interkulturellen Öffnung gerade auch im Gesundheitswesen noch zu verstärken. Wir wissen, dass Menschen mit Einwanderungsgeschichte, gerade wenn sie älter werden, wenn sie möglicherweise sogar dement werden, besondere Unterstützung brauchen, auch im muttersprachlichen Bereich, damit sie eine ordentliche Gesundheitsversorgung bekommen, nämlich die, die sie genauso wie alle anderen brauchen. – Vielen Dank!