Für Grundrechte gibt es keine Obergrenze

Die Fluchtursachen, die wir haben – ob das Kriege sind, Diktaturen, Klimakatastrophen, Verödung oder Verwüstung ganzer Gebiete –, lassen sich nicht quotieren und schon gar nicht durch Obergrenzen in den Griff bekommen.

Rede als Video

17. Sitzung, 16. November 2017

Katina Schubert (LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für Grundrechte gibt es keine Obergrenzen, und auch das internationale Flüchtlingsrecht kennt keine Obergrenzen.

Und die Fluchtursachen, die wir haben – ob das Kriege sind, Diktaturen, Klimakatastrophen, Verödung oder Verwüstung ganzer Gebiete –, lassen sich im Übrigen auch nicht quotieren und schon gar nicht durch Obergrenzen in den Griff bekommen. Das, was hier AfD und CDU propagieren, ist brutale Abschottungspolitik. Und dafür stellen wir uns nicht zur Verfügung.

Ich finde es auch sehr bedauerlich, dass die CDU der AfD in Sachen Familiennachzug so auf den Leim gegangen ist. Dass mit der AfD ausrechnet eine Partei, die im Wahlkampf mit der heilen Familie Werbung macht, den Familiennachzug für Menschen unterbinden will, ist abstoßend. Das finde ich, ehrlich gesagt, auch geradezu obszön. Ihre ganzen Plakate können Sie sich in die Haare schmieren, wenn Sie hier so was vertreten! Die können Sie sich auch so in die Haare schmieren, aber jetzt erst recht!

Im Grundgesetz heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“. Da steht nicht, dass das nur für Deutsche gilt. Das ist ein universelles Recht.

Ich will hier nicht nur juristisch argumentieren. Ich weiß, wie Juristen es vor allem in der Union geschafft haben, ein Grundrecht wie das auf Asyl völlig kleinzureden, sodass nur noch wenig davon übrig bleibt. Deswegen jetzt zum Politischen! Die Forderung, Geflüchteten mit subsidiärem Schutzstatus den Familiennachzug zu verweigern, ist integrationspolitisches Harakiri. Familie, ein stabiles soziales Umfeld, Nähe und Geborgenheit sind extrem wichtig für vermutlich jeden von uns, aber vor allem für diejenigen, die ihre Heimat verlassen mussten, die oftmals dramatische Fluchtgeschichten hinter sich haben und hier erst mal vor dem Nichts stehen.

Klar, wir erleben auch viel gesellschaftliche Solidarität; darüber haben wir vorhin gesprochen. Aber viele Flüchtlinge erleben auch Ablehnung und blanken Hass, der von Parteien wie der rechts im Hause auch noch offen geschürt wird. Sie erleben Bürokratie, die ihnen fremd ist und die es ihnen oft nicht leicht macht, hier alles richtig zu machen. Und wenn sie dann alleine hier sind, kommt noch die Angst um die eigene Familie dazu. Die im Herkunftsland oder im Transitland wartet. Angst lähmt, Angst macht krank. Es ist natürlich Quatsch zu sagen, sie seien in Transitländern sicher. Wir haben hier ganz oft über die Türkei gesprochen, welche Verhältnisse gerade dort herrschen. Da sagen Sie, dass das ein sicheres Land ist. Das ist doch absurd!

Das Argument der AfD, der Familiennachzug sei infrastrukturell und finanziell nicht zu bewältigen, ist ein schlechter Scherz. Wir leben hier in einem der reichsten Länder der Welt.

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Katina Schubert (LINKE):

Wir können es uns leisten, einen Manager, der eine Fluglinie in den Ruin getrieben hat, mehrere Millionen in den Rachen zu schmeißen, wir können es uns leisten, jeden Tag tonnenweise Lebensmittel wegzuschmeißen, und wir können es uns nicht leisten, die anstehenden Herausforderungen zu finanzieren, die mit der Integration von Geflüchteten verbunden sind?

Nein! Die Einschränkung des Familiennachzugs war schon falsch, und sie ist falsch, und eine Ausweitung und Verlängerung ist genauso falsch und wird von uns abgelehnt.

In diesem Zusammenhang wende ich an die Parteien, deren Bundesspitzen gerade Jamaika verhandeln müssen. Da beneide ich die Grünen kein bisschen. Sie werden von mir auch nie ein Wort der Häme oder sonst was hören, denn ich möchte auf keinen Fall mit euch tauschen. Aber ich habe eine große Bitte: Die rechtspopulistische und in Teilen menschenfeindliche Propaganda der AfD hat in diesem Land für eine Diskursverschiebung nach rechts gesorgt.

Man kann Rassismus nicht mit ein bisschen Rassismus bekämpfen, da kommt auch nur Rassismus raus.

Deshalb mein Appell an Jamaika: Gebt dem Gerede der AfD nicht nach! Schafft die Einschränkung des Familiennachzugs ab, statt ihn auszuweiten! Das ist auf der symbolischen, aber auch für viele auf der ganzen materiellen Ebene so elementar wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für eine solidarische Gesellschaft, die die Würde des Einzelnen ohne Ansehen seiner Herkunft achtet und bewahrt. Das ist unsere Aufgabe. – Danke!