Lebendiges Stadtquartier am Alexanderplatz schaffen

Katalin Gennburg
StadtentwicklungKatina Schubert

31. Sitzung, 27. September 2018

Katalin Gennburg (LINKE):

Übrigens: Die Frau Helm hat das in Bezug auf Dresden gesagt, soviel sei jetzt zur geschichtlichen Richtigkeit gesagt, ergänzt. Insofern war der Vorwurf der Lüge schon richtig. Also, wir haben hier einen Antrag vorliegen, der an Dreistigkeit und Geschichtsvergessenheit wirklich fast nicht zu überbieten ist.

Dass Herr Evers das für die CDU auch noch damit begründet, dass hier ein lebendiges Stadtquartier zu schaffen sein sollte, ist wirklich erstaunlich, denn ich gehe immer davon aus, dass wir es jetzt schon mit einem sehr lebendigen Stadtquartier zu tun haben. Was haben Sie denn bitte schön vor Augen, wenn Sie sich diesen Ort rund um den Alexanderplatz anschauen? Ich finde es wirklich unterirdisch, dass Sie hier immer so tun, als wäre das irgendwie eine städtebauliche Wüste und es lebten da keine Menschen. Das ist nicht der Fall.

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Trefzer?

Katalin Gennburg (LINKE):

Nee! Ha, ha, ganz falsche Abbiegung!

Dann sagen Sie, Sie wollten hier kreative Räume schaffen. Kreative Räume entstehen nicht dadurch, dass man dort einen B-Plan von Kollhoff hochzieht und ein Hochhaus hinbaut. Auch das hatten wir vor zwei Wochen schon bei der Auseinandersetzung um die Hertzallee. Dass wir da nicht auf einen grünen Zweig kommen, verwundert jetzt auch nicht, aber es sei an dieser Stelle noch einmal herausgestellt. Deswegen bin ich wegen Ihres Antrags ein bisschen wütend, denn Sie faseln hier etwas von klugen städtebaulichen Konzepten.

Dazu will ich jetzt noch etwas sagen, zu klugen städtebaulichen Konzepten. Die sind immer historisch eingebettet. Jede Zeit hat kluge städtebauliche Konzepte, und es ist daran, dass wir jetzt auch mal wieder zu zeitgemäßen klugen städtebaulichen Konzepten zurückkommen.

Deswegen möchte ich ganz kurz gerne ein bisschen Nachhilfe in Stadtbaugeschichte geben, die der CDU hier offensichtlich abhandengekommen ist. Das Haus der Statistik ist Teil des DDR-Städtebaus zur Umgestaltung des Alexanderplatzes und wurde in den Jahren 1968 bis 1970 nach Plänen des Architektenkollektivs Manfred Hörner, Peter Senf und Joachim Härter errichtet.

Ein Kupferrelief von Fritz Kühn widmet sich der Entwicklung des mathematischen und technischen Denkens und schmückt den Haupteingang. Im Gebäudeinneren befand sich das Wandgemälde – Herr Evers hat es schon gesagt – Lob des Kommunismus von Ronald Paris. Die angrenzenden Gebäudekomplexe Haus des Lehrers und Haus des Reisens sowie das Haus des Berliner Verlages – da müssen Sie sich nicht totlachen, das ist so – befinden sich bereits unter Denkmalschutz, und das ist sehr, sehr gut.

Der CDU-Antrag zeugt davon, dass der Denkmalwert der Architektur der Sechzigerjahre und Siebzigerjahre in Ost und West in dieser Fraktion noch nicht erkannt worden ist und die Fachwelt der Berliner CDU um Frau Grütters um Schritte vorauseilt.

Sie hatten – –

 

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Christian Buchholz?

Katalin Gennburg (LINKE):

Och, nee, bitte nicht. – Sie haben eben ein Verständnis von Baukultur des Barock, die Moderne ist Ihnen offensichtlich entgangen.

Der Antrag tut auch so, als hätte es die Initiative zum Haus der Statistik überhaupt nicht gegeben. Das ist ein eigentümliches Verständnis von Wertschätzung zivilgesellschaftlichen Engagements gegenüber, das dem Antrag entspringt. Die Initiative setzt sich mit riesigem Engagement für die Entwicklung des Areals als Zentrum für Geflüchtete, Soziales, Kunst und Kreative ein. Und zu Recht steht an der Fassade gerade „Stop wars on migration!“ Super Sache!

Die Linksfraktion hat also immer wieder gesagt, wir wollen kein reines Ämterzentrum, wir brauchen eine kreative Mischung. Die Verwaltung darf hier nicht den überwiegenden Nutzungsanteil ausmachen.

[Mario Czaja (CDU): Ich weiß nicht, was
in Ihrer Tasche ist, ist wohl Cannabis!]

– Ach, Frau Präsidentin! Haben Sie diesen Zwischenruf wahrgenommen? Der Abgeordnete Czaja hat mir unterstellt, ich hätte Cannabis in meiner Tasche. Das könnte man noch mal diskutieren, nicht wahr?

Kommen wir zurück zum Nutzungsmix und zum Nutzen für die Verwaltung. Wir hatten zwischendurch einen Antragsentwurf ins Abgeordnetenhaus eingebracht. Der hat sich aber inzwischen tatsächlich – – Der wurde von der Zeit sozusagen überlagert. Es ist gut, dass der Senat jetzt handelt. Es gab neulich schon die große öffentliche Werkstatt. Ich freue mich, dass das jetzt tatsächlich mit tätigem Handeln vorangeht, kann wirklich nur die schwache Performance, die Geschichtsvergessenheit der CDU an dieser Stelle noch einmal betonen. Will nur sagen, auch die BIM hat baukulturell lobenswert einen Fassadenwettbewerb ausgelobt. Gesucht wurde eine gestalterisch anspruchsvolle Lösung, um ein Konzept für die Fassadengestaltung und Sanierung zu entwickeln. Die Gewinner des Wettbewerbs wurden im Juli gekürt. Und die Wettbewerbsjury entschied sich für den Entwurf des Berliner Architekturbüros de+ Architekten, der eine moderne Wiederherstellung der Fassade vorsieht.

Kurz und gut, Sie machen Schaufensterpolitik und wollen Ihren Markenkern bis zum Kitsch überformen. „Bauen, bauen, bauen“ wird hier zu „Neubau über alles“ und „Abriss first“. Das ist geschichtsvergessen und apolitisch, CDU eben. Stadtbaugeschichte ist aber Gesellschaftsgeschichte.

Deshalb mehr Haus der Statistik als Schlossattrappe. Und nehmen Sie Ihre Wippe gleich mit! – Vielen Dank!

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