Öffentliches Geld nur für gute Arbeit!
"Die öffentliche Hand muss in ihren Vergaben ihrer Vorbildfunktion gerecht werden, gerecht handeln und Lohndumping, Ausbeutungsverhältnisse und Naturzerstörung mit ihren Ausschreibungsbedingungen ausschließen." sagt Katina Schubert zur Änderung des Berliner Vergabegesetzes.
57. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 02. April 2020
Zu "Zweites Gesetz zur Änderung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes" (Priorität der Fraktion Die Linke)
Katina Schubert (LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Öffentliches Geld nur für gute Arbeit, nur für Fairtrade, nur für ökologische Nachhaltigkeit – so will es unser Koalitionsvertrag, und so ist es wirtschafts- und gesellschaftspolitisch vernünftig.
Die öffentliche Hand muss in ihren Vergaben ihrer Vorbildfunktion gerecht werden, gerecht handeln und Lohndumping, Ausbeutungsverhältnisse und Naturzerstörung mit ihren Ausschreibungsbedingungen ausschließen. Es darf nicht allein der Preis sein, der für öffentliche Vergaben zählt. Deshalb ist uns der Vergabemindestlohn sehr wichtig – das haben wir ausführlich diskutiert, deswegen begründe ich das nicht noch einmal –, wir haben ihn synchron mit dem Landesmindestlohn ausgelegt.
Genauso wichtig ist uns die Tariftreueregelung. Schon 2008 ist Berlin mit seinen Tariftreueregeln vorangegangen, bis das durch das sogenannte Rüffert-Urteil gekippt wurde. Damals herrschte noch die neoliberale Wettbewerbsdoktrin, die Tariftreue als Wettbewerbsverhinderung denunzierte. Die EU hat diese Politik mit der Entsenderichtlinie 2018 zum Glück korrigiert, sodass wir jetzt eine gute Tariftreueregelung aufnehmen konnten. Es kommen nun nicht nur allgemeinverbindliche Tarifverträge zur Anwendung, sondern auch der Tarifvertrag, der für die betreffende Branche repräsentativ und anwendbar ist. Das gilt auch für Auftragnehmer mit Sitz im Ausland, was zentral wichtig ist für EU-weite Ausschreibungen. Wir haben damit gerade viel Erfahrung – ich bin ja auch flüchtlingspolitische Sprecherin –, wenn eine Unterkunft europaweit ausgeschrieben werden muss. Dabei nehmen wir Qualitätskriterien genauso wichtig wie andere Kriterien. Warum ist uns das so wichtig? – Die Zahl tarifgebundener Unternehmen in Berlin hat in den letzten Jahren dramatisch abgenommen, und zwar zulasten der Beschäftigten. Wir möchten mit dieser Tariftreueregel und den damit verbundenen Anreizwirkungen mehr Unternehmen dazu bewegen, sich wieder – oder neu – in einen tariffähigen Arbeitgeberverband zu begeben. Tarifflucht ist dann nämlich bei öffentlichen Aufträgen kein Wettbewerbsvorteil mehr.
Das schönste Gesetz nutzt nichts, wenn seine Einhaltung nicht kontrolliert wird. Deswegen ist es gut, wenn die Kontrollkapazitäten gestärkt werden. Ein Diskussionspunkt waren die Wertgrenzen. Das ist auch normal, solch ein Gesetz ist kontrovers, und vor allen Dingen unsere Umweltpolitikerinnen und Umweltpolitiker – ich glaube, aus allen drei Fraktionen von Rot-Rot-Grün – hätten sich niedrigere Wertgrenzen gewünscht. Politik ist aber immer auch die Suche nach dem Kompromiss. Der Kompromiss ist die Evaluationsklausel, wonach die Wirksamkeit der Wertgrenzen überprüft werden muss, und das nicht irgendwann, sondern wenn das Gesetz eine Weile in Kraft ist und wir beobachten können, wie sich das Vergabewesen entwickelt.
Gar nicht geht übrigens, dass wir jetzt den Forderungen der Unternehmensverbände nachkommen und das Vergabegesetz gleich ganz aussetzen. Ja, die Coronakrise trifft viele Unternehmen in Berlin hart. Deswegen hat das Land – und hat der Bund – umfassende Hilfspakete auf den Weg gebracht. Das haben wir heute ausführlich diskutiert. Ich bin mir ganz sicher, sowohl das Land wie auch der Bund werden alles dafür tun, dass das auch so bleibt, und im Zweifelsfall nachschießen. Das kann aber nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschehen, nicht unter Missachtung aller Qualitätsanforderungen in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit oder Fairtrade. Die Bewältigung der Coronakrise – damit wiederhole ich mich, aber es ist mir wichtig – muss solidarisch gelingen, oder sie wird nicht gelingen. Deswegen bitte ich Sie herzlich um Zustimmung zu diesem Ausschreibungs- und Vergabegesetz.